Menschliche soziale Wahrnehmung, Kognition, Kommunikation und Interaktion setzen alle die effiziente Analyse und Repräsentation personenbedingter Informationen voraus. Gesichter oder Stimmen vermitteln eine große Bandbreite sozialrelevanter Informationen, zum Beispiel Identität einer Person, Emotionen, Geschlecht, Alter, Attraktivität, oder aber Zentrum der Aufmerksamkeit.
Wir erforschen sowohl perzeptuelle Mechanismen, die diese komplexen sozialen Stimuli verarbeiten, als auch die kognitiven Prozesse, mit denen Menschen diese Signale evaluieren und dann verwenden, um ihre sozialen Handlungen zu optimieren. In unseren Experimenten können wir (1) naturgetreue und doch präzise kontrollierte Personenstimuli einsetzen (z. B. Morphs von Bildern, Videos und Stimmen des betreffenden sozialen Signals), und (2) durch verschiedene nicht-invasive Techniken der kognitiven Neurowissenschaften (EEG, MEG, fMRT) Hirnaktivitäten sichtbar machen, welche in sozialer Wahrnehmung, Kognition und Kommunikation eine Rolle spielen. Auch wenn uns Personenwahrnehmung und soziale Kognition im Allgemeinen effizient und mühelos erscheinen, so hat die neueste Forschung gezeigt, dass es doch beträchtliche individuelle Unterschiede in diesen Fähigkeiten gibt (z. B. Kaufmann et al., 2013). Entscheidend ist, dass hierbei spezifische Defizite oder Veränderungen bei Autismus-Spektrum-Störungen auftreten (siehe z. B. Schneider et al., 2013; Kuchinke et al., 2011).
Unsere Forschung im Bereich der Personenwahrnehmung hat eine multimodale Perspektive und beschäftigt sich sowohl mit Gesichter- als auch Stimmenwahrnehmung (Schweinberger et al., 2014; Schweinberger & Burton, 2011). Wir haben gezeigt, dass das Gehirn über die bemerkenswerte Fähigkeit verfügt, Gesichter- und Stimmeninformationen während sozialer Interaktionen gleichzeitig on-line multimodal (d.h. audiovisuell) zu integrieren (Schweinberger, 2013). Des Weiteren haben wir gezeigt, dass die Übernahme mentaler Perspektiven (Theory of Mind) für Erwachsene unter impliziten Rahmenbedingungen, wie sie oft in natürlichen sozialen Interaktionen auftreten, höchst relevant ist (Schneider et al., 2012). Eine einheitliche wissenschaftliche Herangehensweise an Personenwahrnehmung, soziale Kognition und Theory of Mind lag in der Vergangenheit zum größten Teil nicht vor. Wir streben nun an, diese verschiedenen Ansätze in unserer aktuellen und zukünftigen Forschung zu integrieren (Schweinberger & Schneider, 2014).
Unser Ziel ist es normale und veränderte menschliche Systeme zur Personenwahrnehmung und sozialer Kognition besser zu verstehen. Außerdem wollen wir dabei helfen, soziale Potentiale in Autismus-Spektrum-Störungen zugänglich zu machen, um den Betroffenen ein besseres, integrierteres und erfüllteres Leben zu ermöglichen.